Clankriminalität
Infografik Nr. 131166
Straftaten im Kontext arabisch- oder türkischstämmiger Großfamilien stehen schon länger im Fokus des öffentlichen Sicherheitsinteresses. Kriminelle Clans beherrschen mancherorts ganze Straßenzüge und bilden Parallelgesellschaften aus, in denen der deutsche Staat nichts gilt, Konflikte eigenmächtig und gewaltsam geregelt werden und letztlich nur das Recht des Stärkeren zählt. Betroffen sind vor allem Städte im Ruhrgebiet sowie Berlin. Derartige Strukturen sind über Jahrzehnte gewachsen, doch erst in jüngerer Zeit haben sich Politik und Polizei dem Kampf gegen sie verschrieben. Dazu ist es vonnöten, sich ein möglichst zutreffendes Bild von Quantität und Qualität des Phänomens zu machen. Aus diesem Grund erstellen die Kriminalämter von Bund und Ländern seit 2018 sogenannte Lagebilder. Bislang existiert aber nicht einmal eine bundeseinheitliche Definition von „Clankriminalität“. Das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt (LKA) definiert sie als Straftaten mehrerer Täter mit gemeinsamer familiärer oder ethnischer Herkunft, fehlender Akzeptanz der deutschen Rechts- und Werteordnung und einer „erheblichen Bedeutung“.
Das Lagebild des LKA NRW für das Jahr 2019 zählt 111 aktive Clans mit 3 779 Tatverdächtigen und 6 819 Straftaten, wobei eine Straftat mehrfach gezählt wird, wenn sie von mehreren Tätern begangen wurde. Nach einfacher Zählung waren es 6 104 Straftaten. Vielfach handelte es sich um Rohheitsdelikte, vor allem Gewalttaten. Auch in der organisierten Kriminalität spielen die Clans inzwischen eine prominente Rolle: Jedes fünfte einschlägige Verfahren in NRW hatte 2019 einen Clan-Bezug.
Bei der Herkunft konzentriert sich das LKA NRW auf arabische und türkische Clans mit Bezügen zu den Mhallamiye oder zum Libanon. Die Mhallamiye sind eine arabischsprachige Bevölkerungsgruppe mit Wurzeln in Südostanatolien. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wanderten Mhallamiye-Familien in den Libanon aus. Während des dortigen Bürgerkriegs (1975-1990) kamen Mhallamiye dann als Flüchtlinge nach Deutschland. Auch hier schotteten sie sich weitgehend ab. Das LKA geht bei seinen Erhebungen von einem namensbasierten Ansatz aus: Begeht jemand mit einem als „Clannamen“ definierten Familiennamen eine Straftat, wird sie der Clankriminalität zugerechnet. Aber das heißt natürlich nicht, dass alle Mitglieder dieser Familien Straftäter sind. Auch ist fraglich, ob jede Straftat, die von einer Person mit einem Clannamen begangen wurde, gleich unter die Kategorie Clankriminalität fällt. Umgekehrt werden Straftaten nicht mitgezählt,
wenn die Täter keinen Clannamen tragen, obwohl sie durchaus der Clankriminalität zugeordnet werden könnten. Solche methodischen Schwächen zu verringern ist die Aufgabe künftiger Lagebilder.
Ausgabe: | 08/2021 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |