Private Seenotrettung im Mittelmeer
Infografik Nr. 708073
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Im Mittelmeer ertranken 2018 fast 2 300 Menschen bei dem Versuch, auf dem Seeweg nach Europa zu gelangen – durchschnittlich sechs Menschen pro Tag. Effektive Maßnahmen zur Seenotrettung sind also dringend geboten. Sie werden nicht nur von staatlichen Akteuren wie der EU und der NATO wahrgenommen, sondern seit 2016 auch verstärkt von privaten Rettungsschiffen, die in der Regel von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) betrieben werden. Sie greifen Migranten in Seenot auf und bringen sie in einen Hafen der südeuropäischen Mittelmeeranrainer. Nordafrika, von wo die Migranten aufbrechen, steuern sie nicht an, denn dort ist eine menschenrechtskonforme Behandlung der Geretteten nicht gewährleistet.
Weil aber die südeuropäischen Länder die Hauptlast der illegalen Migration über das Mittelmeer tragen und das Anlanden der Migranten verhindern wollen, ist in jüngster Zeit ein Trend zur Kriminalisierung der privaten Seenotrettung zu beobachten. Seit 2017 wurden in mehreren Staaten – vor allem Italien, Malta, Griechenland und Spanien – private Rettungsschiffe festgesetzt oder beschlagnahmt und Gerichtsverfahren gegen Crewmitglieder angestrengt. Die Begründung dafür lautet üblicherweise, dass die privaten Retter das Geschäft der Schlepper erledigten. Außerdem schafften sie einen Anreiz zur illegalen Einwanderung, weil die Aussicht auf Rettung der lebensgefährlichen Seefahrt ihren Schrecken nehme. Aber dass die privaten Rettungsaktionen als „Pull-Faktor“ für die Migration wirken, lässt sich nicht belegen. Und vor allem ändert es nichts an der Rechtslage. Beteiligung an Menschenschmuggel ist zwar strafbar, aber dem stehen zwei fundamentale völkerrechtliche Normen entgegen: Das Recht auf Leben, wie es u.a. in Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist, und die Pflicht zur Seenotrettung. Letztere wurde in mehreren internationalen Abkommen festgeschrieben; die Kernregelungen finden sich in den Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See (1974) und zur Seenotrettung (1979) sowie im UN-Seerechtsübereinkommen (1982). Diese Normen können nicht einfach durch den Verweis auf Grenzsicherung umgangen werden. Die meisten Verfahren gegen private Seenothelfer endeten daher auch mit Freisprüchen oder wurden wegen Mangels an Beweisen eingestellt.
Trotzdem hat die Kriminalisierung dazu geführt, dass ein Dutzend der seit 2016 aktiven privaten Rettungsschiffe ihre Aktivitäten eingestellt haben – in der Hälfte der Fälle waren Verfahren angestrengt worden. Aktiv waren im Juli 2019 noch neun private Rettungsschiffe, zwei Beobachterschiffe und ein Aufklärungsflugzeug der NGO „Sea-Watch“. Auch gegen die meisten von ihnen liefen oder laufen Gerichtsprozesse.
Ausgabe: | 08/2019 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |
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