Der Präsident der Französischen Republik

Der Präsident der Französischen Republik

Infografik Nr. 799315

Die französische Verfassung von 1958 räumt dem Präsidenten eine hervorgehobene Stellung ein. In der Verfassungswirklichkeit konnte er seine Machtposition oft noch ausbauen. Über welche Rechte und Einflussmöglichkeiten verfügt er? Worin liegen die Besonderheiten des "semi-präsidentialen Systems"?

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Nach den Erfahrungen der IV. Republik (1946-1958) mit ihren schwachen, kurzlebigen Regierungen wies die Verfassung der V. französischen Republik (ab 1958) dem Präsidenten eine zentrale Rolle zu, um so die Handlungsfähigkeit der Exekutive zu stärken. Nach Art. 5 wacht der Präsident über die Einhaltung der Verfassung. Durch seinen Schiedsspruch gewährleistet er das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Gewalten und die Kontinuität des Staates. Er ist Garant der nationalen Unabhängigkeit, der Unverletzlichkeit des Staatsgebiets und der Einhaltung der staatlichen Verträge.

Im Einzelnen räumt ihm die Verfassung u.a. folgende Rechte ein: Er ernennt den Premierminister und führt den Vorsitz in den Kabinettssitzungen; er verkündet die verabschiedeten Gesetze, kann aber auch verlangen, dass sie von den beiden Kammern des Parlaments noch einmal beraten werden; er kann bestimmte Gesetzentwürfe (zu Reformen der Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltpolitik oder zur Ratifizierung internationaler Verträge) auf Vorschlag der Regierung oder des Parlaments zum Volksentscheid bringen; er kann die Nationalversammlung auflösen; er unterzeichnet die im Ministerrat beschlossenen Verordnungen und Dekrete; er übt das Begnadigungsrecht aus und ist Garant der Unabhängigkeit der Justiz; darüber hinaus verfügt er über Sondervollmachten im Krisenfall, ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte und der zentrale Akteur der Außenpolitik. Die von ihm beanspruchten Rechte in der Außen- und Sicherheitspolitik gelten seit der Präsidentschaft Charles de Gaulles (1958-69) als domaine réservé des Präsidenten.

Die Machtstellung des französischen Präsidenten beruht insbesondere auch auf der Direktwahl durch das Volk, die 1962 per Referendum eingeführt wurde. Die Wahl erfolgt als Mehrheitswahl in zwei Wahlgängen. Im ersten Wahlgang ist gewählt, wer die absolute Mehrheit der Stimmen auf sich vereint. Dies war bisher noch nie der Fall. Im zweiten Wahlgang treten 14 Tage später die beiden erfolgreichsten Kandidaten des ersten Wahlgangs zu einer Stichwahl gegeneinander an. Es gewinnt der Kandidat mit den meisten Stimmen. Er kann sich so auf eine landesweite Mehrheit als Legitimation seines Amtes berufen.

Die tatsächliche Macht des Präsidenten ist eng mit den Mehrheitsverhältnissen in der Nationalversammlung verknüpft. Hat er eine Mehrheit gegen sich (wie 1986-88, 1993-95 und 1997-2002), müssen Präsident und Premierminister im Rahmen einer sogenannten cohabitation zusammenarbeiten bzw. sich die Macht teilen. Geht die Mehrheit mit ihm konform, kann er seine Machtposition stärker ausspielen, auf einen Premierminister seines Vertrauens setzen und der Regierung sein politisches Programm vorgeben.

Ausgabe: 03/2023
Produktformat: eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei.
Reihe: 53
Reihentitel: Zahlenbilder
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