Kernkraft weltweit
Infografik Nr. 646211
Während Deutschland aus der Kernenergie aussteigt, wollen andere Länder wie die USA, China, Frankreich oder Großbritannien noch mehr in ihren Reaktorpark investieren. Ist das schon eine Trendwende? Der Höhepunkt der atomaren Stromerzeugung in der Welt liegt nämlich schon länger zurück (im Jahr 2006). Können neue Kraftwerke die Abschaltung vieler älterer Reaktoren aufwiegen?
Die zivile Nutzung der Kernenergie bleibt umstritten. Ihre Gegner zweifeln an der zuverlässigen Beherrschbarkeit der Atomtechnik. Sie warnen vor einer möglichen Reaktorkatastrophe, wie sie durch menschliches oder technisches Versagen, ein Naturereignis oder einen militärischen Konflikt ausgelöst werden könnte, und vor den Langzeitrisiken, die von den radioaktiven Abfällen ausgehen. Die Befürworter der Kernenergie sind ihrerseits davon überzeugt, dass die Kernkraft zur Deckung des wachsenden Energiebedarfs der Welt unverzichtbar ist und sich die Klimaziele nur mit ihrer Hilfe erreichen lassen.
Zusammen mit ökonomischen und versorgungsstrategischen Erwägungen schlagen sich diese gegensätzlichen Standpunkte auch in der Energiepolitik der einzelnen Nationen nieder. Während die führenden Atomstromproduzenten, die USA, Frankreich, China und Russland, an der kommerziellen Nutzung und am weiteren Ausbau der Kernenergie festhalten, vollzog Deutschland Mitte April 2023 seinen Ausstieg aus der atomaren Stromerzeugung. Japan hatte nach dem Reaktorunglück in Fukushima 2011 zunächst seine Reaktoren stillgelegt, nimmt den Kraftwerksbetrieb inzwischen aber schrittweise wieder auf. Südkorea nahm nach einem Regierungswechsel den geplanten Atomausstieg zurück. Neben China strebt vor allem auch Indien nach einer Ausweitung seiner Atomstromkapazitäten. Die USA räumen der Kernenergie ebenfalls wieder größere Bedeutung ein, sowohl durch Laufzeitverlängerungen als auch durch Entwicklung neuer Reaktoren. Diese sollen durch die Reaktorindustrie auch international vermarktet werden. Als neuer Reaktortyp sind auch in einigen anderen Ländern sogenannte SMR, kleinere Reaktoren mit bis zu 300 MW, im Gespräch. In Europa ist das Bild gemischt: Dem deutschen Atomausstieg stehen ehrgeizige Erweiterungspläne in Frankreich und Großbritannien gegenüber. Vor allem in Osteuropa sind zusätzliche Kraftwerke geplant; Polen will erstmals in die Kernenergie einsteigen.
Was ergibt sich aus alledem für den aktuellen Stand und die Zukunft der Kernkraft? Tatsache ist, dass die Stromproduktion der Atomkraftwerke 2021 mit 2 653 Mrd Kilowattstunden noch immer knapp hinter dem Rekord des Jahres 2006 zurückblieb (2022: 2 487 Mrd kWh). Der Anteil des Atomstroms an der globalen Stromerzeugung sank zwischen 1996 und 2021 von 17,5 auf 9,8 %. Ende 2022 waren weltweit 410 Reaktoren mit einer installierten elektrischen Leistung von 368 610 Megawatt in Betrieb. Nach aktuellen Schätzungen ist zu erwarten, dass bis 2040 mehr als 200 Reaktoren mit einer Kapazität von 165 000 Megawatt abgeschaltet werden. Derzeit sind aber nur 53 neue Atomkraftwerke (mit etwa 50 000 Megawatt) im Bau.
Ausgabe: | 08/2023 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |