EU-Beitrittskandidaten: Montenegro
Infografik Nr. 832550
Nach dem Zerfall Jugoslawiens gab die EU den Ländern des Westbalkans das Versprechen, auch ihnen die Tür zur Mitgliedschaft offenzuhalten. Das kleine Montenegro ist eines dieser Länder. Seit 2012 steht es in Beitrittsverhandlungen mit der EU. Informationen zur Wirtschaft, zur Bevölkerung und zum Stand des Integrationsprozesses finden Sie hier in knapper Zusammenfassung.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens und den Kriegen, die damit einhergingen (1991-1999), versuchte die EU, die Spannungen im Bereich des westlichen Balkans zu entschärfen, indem sie den Staaten der Region eine europäische Perspektive eröffnete. Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel in Thessaloniki 2003 erklärte sie, die Zukunft des Westbalkans liege in der Europäischen Union. Im Rahmen des 1999 beschlossenen Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses sollten sich die Staaten auf ihren künftigen Beitritt vorbereiten. Das galt auch für Montenegro, das zu jenem Zeitpunkt noch in einer Staatengemeinschaft mit Serbien verbunden war. Im Juni 2006 erklärte Montenegro seine Unabhängigkeit. 2008 stellte das Land den Antrag auf Beitritt zur EU. Im Mai 2010 trat das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen in Kraft, das die politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU regelt, und noch im Dezember des gleichen Jahres wurde Montenegro als EU-Beitrittskandidat anerkannt.
Montenegro hat eine Fläche von 13 812 km2, etwas weniger als das Bundesland Schleswig-Holstein. Mit einer Bevölkerung von rund 616 000 (2022) reiht es sich hinter dem EU-Mitglied Luxemburg (661 000) ein. Wirtschaftlich liegt ein Schwerpunkt im Tourismus, der während der Corona-Pandemie massiv einbrach, sich danach aber wieder erholte. Die Wirtschaftsstruktur wird insgesamt von den Dienstleistungen dominiert (Anteil 2022: 76 %). Vergleichsweise hoch ist auch der Anteil der Landwirtschaft (8 %), während die Industrie nur 11 % zur Bruttowertschöpfung beiträgt. Von 2006 bis 2022 erzielte die Volkswirtschaft ein reales Wachstum von durchschnittlich 5,4% im Jahr. Dennoch lag das nominale BIP 2022 erst bei 5,8 Mrd €. Der Individualkonsum als Maßstab des Wohlstands blieb in Montenegro 2022 um etwa ein Drittel hinter dem EU-Durchschnitt zurück und erreichte damit annähernd das Niveau Bulgariens. Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung erwachsen aus der schmalen Exportbasis, der Schwankungsanfälligkeit des Tourismus, der hohen Inflation und der fortdauernden politischen Instabilität. Die Verzicht auf eine eigene Währung und die Verwendung des Euro engt zudem den außenwirtschaftlichen Handlungsspielraum ein.
Seit 2012 befindet sich Montenegro in Beitrittsverhandlungen mit der EU. Diese gliedern sich in 35 thematische „Kapitel“, von denen drei vorläufig abgeschlossen sind. Montenegro führte Reformen u.a. in den Bereichen Justiz, Korruptionsbekämpfung, Menschenrechte und Wirtschaft durch, um den EU-Standards gerecht zu werden. Einige Jahre lang stockte der Integrationsprozess jedoch. Nach Auffassung der EU sind künftig weitere Fortschritte, besonders im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, erforderlich.
Ausgabe: | 08/2023 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |