Leistungsbilanzen aus dem Gleichgewicht
Infografik Nr. 681230
Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre bauten sich zwischen den Staaten der Erde außenwirtschaftliche Ungleichgewichte auf, deren Ausmaß zunehmend Sorge bereitete. Ungleichgewich ...
Seit der zweiten Hälfte der 1990er Jahre bauten sich zwischen den Staaten der Erde außenwirtschaftliche Ungleichgewichte auf, deren Ausmaß zunehmend Sorge bereitete. Ungleichgewichte dieser Art schlagen sich in den Leistungsbilanzen der einzelnen Volkswirtschaften nieder. Die Leistungsbilanz eines Landes umfasst die grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsströme, Einkommenstransfers (z.B. der Gewinne und Dividenden aus Vermögensanlagen im Ausland) und laufenden Übertragungen (z.B. Zahlungen an internationale Organisationen). Sie gerät ins Defizit, wenn ein Land dauerhaft mehr Güter importiert, als es selbst im Ausland absetzen kann. Den Defiziten einiger Länder müssen in der Summe ebenso große Überschüsse in der Leistungsbilanz anderer Länder gegenüberstehen (wegen statistischer Ungenauigkeiten decken sich die beiden Seiten allerdings nicht ganz).
Zur Finanzierung eines Leistungsbilanzdefizits ist ein Land auf den Zustrom von Kapital aus der übrigen Welt angewiesen, sei es in Form ausländischer Kredite und Direktinvestitionen oder als Anlage von Auslandsgeldern in inländischen Wertpapieren. Die Kapitalbilanz muss also spiegelbildlich zur Leistungsbilanz einen entsprechend hohen Überschuss aufweisen.
Seit den 1990er Jahren rutschte vor allem die Leistungsbilanz der USA tief ins Defizit. Ein entscheidender Faktor dieser Entwicklung war die sinkende Ersparnis der amerikanischen Volkswirtschaft, bedingt vor allem durch die wachsende Staatsverschuldung. Die übrige Welt war jedoch bereit, das US-Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Die Ungleichgewichte verstärkten sich, als China in den Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise (2005-2008) steil anwachsende Leistungsbilanzüberschüsse verzeichnete.
In der Krise verringerten sich die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen zwar, doch waren die Ursachen – Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit und im Konsum-, Spar- und Investitionsverhalten der einzelnen Volkswirtschaften sowie künstlich gestützte Wechselkurse – damit noch nicht beseitigt. In den USA, aber auch innerhalb der EU, steht besonders Deutschland mit seinen rekordhohen Leistungsbilanzüberschüssen in der Kritik. Der Internationale Währungsfonds und die EU fordern von Deutschland einen stärkeren Lohnanstieg und höhere Investitionen im Inland, damit die Binnennachfrage wächst und mehr Güter importiert werden. Die USA drohen zudem mit protektionistischen Abwehrmaßnahmen. Demgegenüber verweist die deutsche Seite auf den Qualitätsvorsprung deutscher Produkte als Hauptursache für den boomenden Export.
Ausgabe: | 05/2018 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |