Völkermord – ein Menschheitsverbrechen
Infografik Nr. 615527
Unter den Grausamkeiten, die Menschen einander antun, gibt es wohl kein größeres Verbrechen als den Völkermord. In der Geschichte blieb dieses Verbrechen sehr lange namenlos, dennoch finden sich frühe Beispiele. Bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. berichtet der Historiker Thukydides, wie die Athener sämtliche Bewohner der Insel Melos ermordeten, um dann eigene Kolonisten dort anzusiedeln. In jüngerer Zeit sticht zunächst der Vernichtungsfeldzug gegen die Herero und Nama in Deutsch-Südwestafrika, dem heutigen Namibia, heraus – erst 2021 erkannte die deutsche Regierung das Geschehen offiziell als Völkermord an. Dagegen weigert sich die Regierung der Türkei bis heute, die massenhafte Ermordung von Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord zu bezeichnen. Historisch einzigartig bleibt der Holocaust, die mit industriell-rationeller Kaltblütigkeit betriebene Ermordung von etwa sechs Millionen Juden. Dieses Ereignis führte auch dazu, dass das Verbrechen erstmals einen Namen erhielt: In einem Buch aus dem Jahr 1944 prägte der polnische Jurist Raphael Lemkin den Begriff „Genozid“, zusammengesetzt aus dem griechischen genos (= Volk) und der aus dem Lateinischen stammenden Endung -zid (von caedere = töten).
Der Genozid fand im Jahr 1946 schließlich Eingang ins Völkerrecht, als ihn die Generalversammlung der Vereinten Nationen als Verbrechen anerkannte. Rechtlich kodifiziert wurde der Tatbestand in der Völkermord-Konvention vom 9.12.1948, die 1951 in Kraft trat. Sie definiert den Völkermord als eine Handlung mit der Absicht, eine „nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören“. Die Mittel dazu reichen von der rohen Tötung bis hin zu subtileren Methoden wie der Auferlegung widriger Lebensbedingungen oder der Verhinderung von Geburten. Anfang 2022 hatten 152 Staaten die Konvention ratifiziert. Doch weil es sich beim Verbot des Völkermords um universelles und zwingendes Völkerrecht (ius cogens) handelt, gilt es auch für Staaten, welche die Konvention nicht ratifiziert haben.
Die Völkermord-Konvention sieht zudem ein internationales Strafrecht vor. Zuständig für die Bestrafung sind nach Artikel VI die Gerichte jenes Staates, in dem ein Völkermord begangen wurde, ersatzweise aber auch ein internationaler Strafgerichtshof. Dabei sind auch Regierende nicht immun, wie Artikel IV ausdrücklich festhält. Aus der jüngsten Geschichte gibt es Beispiele für solche internationale Strafprozesse: Die Ad-hoc-Tribunale für das ehemalige Jugoslawien und Ruanda befassten sich mit den dort verübten Völkermorden (an Bosniaken bzw. Tutsi) und sprachen Urteile gegen Verantwortliche aus. Auf sie folgte 2002 als ständige Institution der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) mit Sitz in Den Haag.
Ausgabe: | 06/2022 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |