Formen direkter Demokratie und ihre Verbreitung
Infografik Nr. 603625
Die Idee der direkten Demokratie orientiert sich am Vorbild des antiken Athens, wo die Bürgerschaft unmittelbar an allen politischen Entscheidungen beteiligt war. Was in kleinen überschaubaren Stadtstaaten noch funktionierte, ist in modernen Territorialstaaten mit Millionen von Einwohnern aber nicht mehr praktikabel. Eine echte direkte Demokratie hat es daher in der modernen Staatsgeschichte nie gegeben. Dennoch haben viele Staaten direktdemokratische Verfahren in ihren politischen Systemen verankert.
Das wichtigste Verfahren ist die • Volksabstimmung (auch Volksentscheid, Referendum oder Plebiszit). Sie kann zum einen vom Parlament anberaumt werden. Zu unterscheiden ist dann zwischen obligatorischen Volksabstimmungen, die gesetzlich für bestimmte Fragestellungen vorgeschrieben sind, und fakultativen Volksabstimmungen, die abgehalten werden können, wenn es der Gesetzgeber für angebracht hält. Zum anderen können Volksabstimmungen in einem • Volksbegehren von den Bürgern selbst initiiert werden. Dazu sammeln sie Unterschriften, die eine bestimmte Mindestbeteiligung (Quorum) erreichen müssen, und richten einen Gesetzesvorschlag an die Legislative. Entweder muss nun unmittelbar ein Referendum über den Vorschlag erfolgen (direktes Volksbegehren) oder das Parlament muss sich zunächst mit ihm befassen (indirektes Volksbegehren). Es kann den Vorschlag dann entweder annehmen oder in einem zweiten Schritt zur Volksabstimmung freigeben. Volksbegehren können auch ein Referendum einfordern, das sich auf bereits existierende Gesetze oder auf Gesetzesvorschläge der Legislative bezieht. Im ersten Fall handelt es sich um ein abrogatives (aufhebendes), im zweiten um ein suspensives (aufschiebendes) Referendum. Eine schwächere Form des Volksbegehrens ist die • Volksinitiative, bei der die Bürger zwar Gesetzesvorschläge einbringen dürfen, aber nicht automatisch ein Referendum folgt. Ein weiteres direktdemokratisches Verfahren ist die • Abberufung (recall) von Mandatsträgern, die ihrer Aufgabe nicht gerecht werden.
In den Verfassungssystemen Europas sind direktdemokratische Elemente am weitesten verbreitet. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Schweiz, die gelegentlich als halbdirekte Demokratie bezeichnet wird, weil sie umfassende direkte Volksrechte auf nationaler Ebene einräumt. In Deutschland hat man sich wegen der negativen Erfahrungen mit Volksabstimmungen in der Weimarer Republik für ein Repräsentativsystem entschieden. Unterhalb der Bundesebene sind aber in allen Landesverfassungen Volksabstimmungen festgeschrieben. Auf kommunaler Ebene gibt es sie in der Form von Bürgerbegehren.
Ausgabe: | 06/2020 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |