Geopolitik
Infografik Nr. 609021
Geopolitik als wissenschaftliche Disziplin geht der Frage nach, wie sich die Geographie eines Landes auf seine Beziehungen zu anderen Staaten auswirkt und seine strategischen Ziele beeinflusst. Jedes Land verfügt über eine natürlich gegebene Ausstattung, die sein Verhalten gegenüber seinen Nachbarn und der übrigen Welt prägt. Zu diesen natürlichen Gegebenheiten zählen Faktoren wie die Größe des Landes, seine Topographie (Berge, Ebenen, Flüsse), sein Klima, das Vorhandensein von Rohstoffen und die Qualität seiner Böden, der Zugang zum Meer und die Lage – im Zentrum eines Kontinents, im Schnittpunkt globaler Verkehrswege oder in abgelegenen Regionen der Erde.
Die geographische und geologische Ausgangslage hat maßgeblichen Einfluss auf die Nutzung des Raums, seine Besiedlung, die Größe und Verteilung der Bevölkerung, die Wirtschaftskraft und die militärische Stärke eines Landes, sein Selbstverständnis, seine Rolle als Machtfaktor oder den Grad seiner Verletzlichkeit und Gefährdung von außen. Allerdings bestimmt die Geographie nicht allein über die Ausrichtung eines Landes: durch die technologischen Entwicklungen vor allem der letzten zwei Jahrhunderte ist es gelungen, geographische Begrenzungen zu durchbrechen. Dabei ist an die Möglichkeiten des Transports und der Kommunikation zu denken, an die Verflechtung der Welt durch Energie-, Funk- und Datennetze, aber auch an die Zunahme der Zerstörungskraft durch Massenvernichtungswaffen und Interkontinentalraketen. In jüngster Zeit ist mit der Verbreitung der sozialen Medien ein Faktor hinzugekommen, der sich der Steuerung durch einzelne Staaten weitgehend entzieht. Auch widersprechen die Verflechtungen im Rahmen der Globalisierung (z.B. im Finanzwesen) einer auf einzelne Staaten konzentrierten Sichtweise. So kann geopolitische Analyse zur Erklärung bestimmter Erscheinungsformen der internationalen Beziehungen beitragen; monokausale Zusammenhänge lassen sich mit ihr aber schwerlich nachweisen.
Der Begriff „Geopolitik“ wurde Anfang des 20. Jh. durch den schwedischen Staatswissenschaftler Rudolf Kjellén geprägt, seinerseits Schüler des Geographen Friedrich Ratzel. In der Zwischenkriegszeit stellte Karl Haushofer sein Konzept der Geopolitik in den Dienst des nationalsozialistischen Strebens nach „Lebensraum“. Der Brite Halford Mackinder und der US-Amerikaner Nicolas Spykman gliederten die Welt in ein eurasisches Kernland und einen äußeren Ring der Seemächte. Heute greift der russische Ideologe Alexander Dugin auf Ideen von Haushofer und Carl Schmitt zurück, um Russlands Interesse an der Zerstörung der amerikanischen Dominanz und einer Gliederung der Welt in mehrere Machtblöcke zu begründen.
Ausgabe: | 05/2022 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |