Entwicklung des Krankenstands
Infografik Nr. 146225
Die krankheitsbedingten Arbeitsausfälle in der deutschen Wirtschaft waren 2022 so hoch wie noch nie. Was waren die Ursachen dafür und wie hat sich der Krankenstand langfristig entwickelt? Welche Faktoren haben diese Entwicklung beeinflusst? Die Daten seit 1991 im ZAHLENBILD!
Der sogenannte Krankenstand zeigt an, wie viel Prozent der Pflichtversicherten einer Krankenkasse krankgeschrieben sind und deshalb nicht zur Arbeit gehen können. Die gesammelten Daten lassen sich zu Monats- und Jahresdurchschnitten bündeln und auf die Gesamtheit der Arbeitnehmer übertragen, wie es in der Jahresarbeitszeitrechnung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) geschieht.
Im früheren Bundesgebiet schwankte der Krankenstand bis zu einem gewissen Grad mit dem Auf und Ab der Konjunktur. Stieg die Arbeitslosenquote, sank der Krankenstand, weil die Beschäftigten um ihren Arbeitsplatz fürchteten; entspannte sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt, blieben sie im Krankheitsfall eher wieder zu Hause. Seit den 1990er Jahren waren solche konjunkturbedingten Schwankungen jedoch kaum noch festzustellen. Die Entwicklung des Krankenstands wurde nun stärker von strukturellen Faktoren beeinflusst. So wirkte sich die Verschiebung von den Arbeiter- zu den Angestelltenberufen und von der industriellen Produktion zu den Dienstleistungen zunächst günstig auf die Krankheitsquote aus. Allein die Abnahme bestimmter Unfallrisiken, körperlicher Schwerarbeit und witterungsbedingter Beeinträchtigungen hatte wohl schon einen Rückgang der Fehlzeiten zur Folge.
Allerdings lässt sich das langjährige Sinken des Krankenstands (bis 2007) nicht allein daraus erklären. Größere Wirkung wird der personellen Auslese zugeschrieben, die in den Unternehmen vor allem seit den 1990er Jahren stattfand. Dabei wurden die Belegschaften mit fortschreitender Rationalisierung auf ihren besonders leistungsfähigen Kern reduziert. Vor allem ältere und gesundheitlich angeschlagene Mitarbeiter mussten aus dem Arbeitsprozess ausscheiden, so dass der Krankenstand entsprechend zurückging.
Mit dem Beschäftigungsaufbau ab 2007 stieg er aber ganz allmählich an und lag ab 2015 im Jahresdurchschnitt wieder über 4 %. Dabei spielte eine Rolle, dass die Arbeitnehmer wieder bis in ein höheres Alter berufstätig blieben. Zu einem guten Teil war die neuerliche Zunahme des Krankenstands aber auch auf die sich wandelnden Arbeitsanforderungen zurückzuführen. Wie Berichte der Krankenkassen zeigen, hatte die fortwährende Arbeitsverdichtung höhere körperliche und zunehmend auch psychische Belastungen zur Folge. In den Corona-Jahren 2020/21 nahm der durchschnittliche Krankenstand nur geringfügig zu. Erst 2022 kam es zu einem sprunghaften Anstieg auf rekordhohe 6,0 %. Ursächlich dafür waren vor allem Atemwegserkrankungen wie Erkältungen oder Bronchitis, die sich – nach dem Wegfall der coronabedingten Hygiene- und Abstandsgebote – untypischerweise auch im Sommer häuften.
Ausgabe: | 04/2023 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |