Die Nichtwähler
Infografik Nr. 088607
Die Nichtwähler
An der Wahl des ersten Deutschen Bundestages am 14.8.1949 beteiligten sich 78,5 % der Wahlberechtigten. Mehr als jede/r Fünfte (21,5 %) blieb somit dem Wahlgang fern, durch den sich die Bundesrepublik Deutschland als demokratisches Staatswesen konstituierte. In den nächsten vierzig Jahren fiel die Wahlenthaltung aber geringer aus. Auch wenn die Ohne-mich-Haltung vieler Bürger in den 1950er und 1960er Jahren oft beklagt wurde, verzeichneten die folgenden Bundestagswahlen bis 1969 doch stets hohe Wahlbeteiligungen (zwischen 86 und knapp 88 %). Die im Zeichen der neuen Ostpolitik leidenschaftlich umkämpfte Wahlentscheidung des Jahres 1972 zog sogar mehr als 91% der Bundesbürger an die Wahlurne, so dass die Quote der Nichtwähler zugleich ihren tiefsten Punkt erreichte. Auch die durch scharfen Parteienstreit gekennzeichneten Wahlen von 1976, 1980 und 1983 mobilisierten die Wähler in einem hohen Grad. Erst 1987 schnellte der Prozentsatz der Nichtwähler nach oben (auf 15,7 %).
Deutete sich damit schon zu Zeiten der alten Bundesrepublik eine wachsende Distanz zur Parteiendemokratie an, so kam bei der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 die Skepsis vieler ostdeutscher Bürger gegenüber dem politischen System westlicher Prägung hinzu: 22,2 % aller Wahlberechtigten – 21,4 % im Westen und 25,5 % im Osten – verzichteten auf eine Stimmabgabe. Auch bei den folgenden Wahlen blieb die Wahlabstinenz hoch. 2009 und 2013 enthielten sich sogar rund 29 % der Wahlberechtigten. Danach sank die Quote der Nichtwähler wieder. 2021 ging sie auf 23,4 % und 2025 sogar auf 17,5 % zurück, den niedrigsten Wert bei den gesamtdeutschen Wahlen seit 1990. In einer Atmosphäre breiter Unzufriedenheit gelang es vor allem der AfD, viele frühere Nichtwähler zu mobilisieren.
Der Politologe Oskar Niedermayer unterscheidet vier Typen von Nichtwählern: ● Die unechten Nichtwähler, die nur durch widrige Umstände verhindert waren (keine Wahlunterlagen, plötzliche Erkrankung oder Reise). ● Die protestierenden Nichtwähler: politisch durchaus interessierte Menschen, die durch Wahlenthaltung ganz bewusst ihre Unzufriedenheit mit Politikern, Parteien oder dem politischen System ausdrücken wollen. ● Die abwägenden Nichtwähler, die je nach der Wichtigkeit einer Wahl entscheiden, ob sie daran teilnehmen oder nicht. ● Die politikfernen Nichtwähler als größte Gruppe: Sie haben kein Interesse an Politik und sehen keine Notwendigkeit zu wählen, es sei denn, sie werden durch grundlegende Werthaltungen (Wählen als Bürgerpflicht) oder milieutypische Bindungen an eine Partei oder politische Richtung dazu bewogen. Dass solche Bindungen zunehmend fehlen, ist ein wichtiger Grund für eine geringere Wahlbeteiligung.
Ausgabe: | 04/2025 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |