Die Drei-Meere-Initiative
Infografik Nr. 725594
Auf Vorschlag Kroatiens und Polens wurde die Drei-Meere-Initiative 2016 als lockerer Zusammenschluss von zwölf EU-Ländern Ostmitteleuropas und Südosteuropas aus der Taufe gehoben. Bei allen wirtschaftlichen und kulturellen Unterschieden haben die meisten von ihnen gemeinsam, dass sie bis zum Ende der Spaltung Europas hinter dem Eisernen Vorhang lagen und nun mit großen Schritten die darin begründeten Defizite ihrer Entwicklung aufholen wollen. Geographisch reicht das Bündnis von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer, von den baltischen Staaten bis zu den Balkanländern Kroatien und Bulgarien. Als einziges „westliches“ EU-Land ist Österreich mit von der Partie.
Hauptanliegen der Drei-Meere-Initiative ist es, die wirtschaftliche Entwicklung und die Konnektivität (Vernetzung) in diesem Teil der EU zu verbessern. Durch Infrastrukturprojekte in den Bereichen Verkehr, Energie und Digitales sollen vor allem grenzüberschreitende Verbindungen in Nord-Süd-Richtung geschaffen und die bestehenden Lücken geschlossen werden. Die Mittel dafür kommen zu einem großen Teil aus den einschlägigen EU-Förderprogrammen – dem Fonds für regionale Entwicklung und dem Kohäsionsfonds – und von der Europäischen Investitionsbank, werden aber ergänzt durch einen eigenen Investitionsfonds, der Gelder von privaten Anlegern und staatlichen Akteuren auch außerhalb der EU einsammelt. Die USA haben hier massive Unterstützung zugesagt. Inzwischen haben die Staaten der Drei-Meere-Initiative eine Liste von 77 vordringlichen Projekten zusammengetragen, u.a. für Autobahnen, Bahnverbindungen, Häfen und Kanäle, Flüssiggasterminals, Gaspipelines, digitale Netzwerke, Stromspeicher und Windenergieanlagen.
Neben den wirtschaftlichen spielen in der Drei-Meere-Initiative auch geopolitische Aspekte eine Rolle, obwohl hier die Interessen der beteiligten Staaten auseinandergehen. Für Polen und die baltischen Staaten ist die Verringerung der Abhängigkeit von Russland wichtig; auch das starke Engagement der USA ist damit zu erklären, dass der Einfluss Russlands und Chinas in diesem Teil Europas zurückgedrängt werden soll. Polen blockt zugleich eine stärkere Beteiligung Deutschlands ab, an der andere Staaten der Region durchaus interessiert sind. Manche Beobachter sehen darin eine Anknüpfung an das Konzept des Intermariums, mit dem Polen in den 1920er Jahren ein Staatenbündnis als Barriere zwischen Russland und Deutschland schaffen wollte. Fraglich ist, ob die Drei-Meere-Initiative als Sonderbündnis nicht auch eine gewisse Sprengkraft in die EU hineintragen könnte.
Ausgabe: | 04/2021 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |