Staatsziele
Infografik Nr. 060110
In jüngerer Zeit werden die klassischen Staatszwecke (in erster Linie: Wahrung des Friedens im Inneren, Schutz nach außen) in den Verfassungen immer häufiger durch Bestimmungen über sogenannte Staatsziele ergänzt. In Deutschland befasste sich mit ihnen eine Sachverständigenkommission, die 1981 durch den Bundesinnenminister und den Bundesjustizminister einberufen wurde. Seitdem hat sich der Begriff der Staatszielbestimmung im Verfassungsrecht verfestigt. Es handelt sich dabei um eine rechtlich bindende Verfassungsnorm, die dem Staat die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorschreibt.
Was unterscheidet die Staatszielbestimmung von anderen Verfassungsnormen? Auf der einen Seite beschränken sich Staatsziele, anders als Programmsätze, nicht auf bloße Anregungen an den Gesetzgeber, sich einer bestimmten Frage anzunehmen. Auf der anderen Seite gehen sie aber auch nicht so weit, dass sie dem Gesetzgeber konkrete Aufträge erteilen. Vielmehr überlassen sie es dem Parlament und seinem politischen Gestaltungswillen, wie und zu welchem Zeitpunkt es die ihm gestellte Aufgabe durch Gesetzesbeschluss erfüllen will. Ohnehin sind Staatsziele nicht so eng und konkret gefasst, dass sie mit einem einmaligen Gesetzgebungsakt erledigt wären. Vielmehr formulieren sie Richtlinien und Leitprinzipien, die auf Dauer gültig bleiben und im Rahmen künftiger Entwicklungen im jeweiligen Sachgebiet immer neu bedacht werden müssen. Staatsziele schaffen im Unterschied zu den Grundrechten keine subjektiven, von einzelnen Bürgern einklagbaren Rechtsansprüche. Sie richten sich allein an den Staat und wollen dessen Tätigkeit in Bezug auf bestimmte Sachthemen steuern und lenken. Sie binden damit in erster Linie den Gesetzgeber, stellen aber auch Richtlinien auf für die Auslegung von Gesetzen und Vorschriften durch Regierung, Verwaltung und Rechtsprechung.
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland enthält eine Reihe von Staatszielen, ohne dass sie ausdrücklich so genannt würden. Von überragender Bedeutung ist das in Art. 20 GG verankerte Sozial-staatsprinzip. Es verpflichtet den Staat zu einer gerechten und ausgeglichenen Gestaltung der gesamten Gesellschafts- und Sozialpolitik. Ähnlich weitreichend ist der dem Staat in Art. 20a GG aufgegebene Schutz der natürlichen Umwelt. Staatsziele finden sich auch in den Verfassungen der einzelnen Bundesländer, so vor allem in den Verfassungen der ostdeutschen Länder, aber z.B. auch in der hessischen Landesverfassung, die 2018 durch Volksabstimmung um neue Staatsziele erweitert wurde.
Ausgabe: | 02/2019 |
Produktformat: | Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |