Fragmentierung der Parteiensysteme in der EU

Fragmentierung der Parteiensysteme in der EU

Infografik Nr. 715385

Die Parteiensysteme vieler EU-Mitgliedstaaten spalten sich immer weiter auf – eine Folge der Veränderungen in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Während die früher dominierenden Parteien oft an Vertrauen verloren, gelangten zahlreiche neue Parteien in die Parlamente. Vergleichen Sie, wo die Fragmentierung der Parteienlandschaft am größten, wo am geringsten ist!

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Die Parteiensysteme der EU-Mitgliedstaaten befinden sich in einem ständigen Wandel. Ein Merkmal dieses Wandels ist die zunehmende Aufspaltung oder Fragmentierung der Parteienlandschaft – ausgelöst durch die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen der letzten Jahrzehnte. So wurde in einigen Ländern das Vertrauen in die etablierten Parteien durch schwere Wirtschaftskrisen erschüttert. In Griechenland und Italien brachte die Finanzkrise zum Beispiel populistische Parteien am linken bzw. rechten Rand des politischen Spektrums nach vorn. In anderen Ländern der EU waren die rund um die Zuwanderung kreisenden Debatten um nationale Identität, Sicherheit und Integration der Nährboden für eine zunehmende politische Polarisierung und für den Aufstieg rechtspopulistischer oder gar rechtsextremer Parteien. Der vermeintliche Verlust an nationaler Souveränität im Rahmen der EU oder des Eurosystems ließ EU-skeptische Parteien erstarken. Dieser Entwicklung stand vielfach der Niedergang der früher dominierenden Großparteien gegenüber, die ihre feste Verankerung in bestimmten sozial-kulturellen Milieus verloren – siehe das Beispiel Italiens, Frankreichs oder auch Deutschlands.

Begünstigt wurde die Fragmentierung auch durch Besonderheiten wie die Spaltung des Parteiensystems entlang konfessioneller Trennlinien (in den Niederlanden) oder nationaler Zugehörigkeiten (in Belgien, Spanien). Die Ausgestaltung des Wahlrechts hatte ebenfalls Einfluss auf die Parteienlandschaft: Wo bei Wahlen keine Sperrklausel gilt (wie in den Niederlanden), können sich neue Parteien leichter etablieren.

Will man den Grad der Fragmentierung des Parteiensystems in den EU-Ländern miteinander vergleichen, bietet sich die „effektive Anzahl der Parteien im Parlament“ (ENPP) als Vergleichsgröße an. Dies ist ein von Marku Laakso und Rein Taagepera entwickelter Indikator, der neben der Anzahl der Parteien auch deren relatives Gewicht abbildet. Je niedriger die ENPP, desto stärker konzentriert sich die Kraftverteilung im Parlament auf wenige große Parteien, und umgekehrt.

Das EU-Land mit der stärksten Fragmentierung ist derzeit Belgien (ENPP: 9,7), wo die Trennlinie zwischen Flamen und Wallonen das gesamte Parteienwesen durchzieht und lediglich eine das ganze Land übergreifende Partei im Parlament vertreten ist. Den niedrigsten ENPP-Wert (1,8) hat Ungarn, wo die illiberale Fidesz-Partei die Macht auf sich konzentriert. Deutschland bewegt sich mit einem ENPP-Wert von 4,8 im europäischen Mittelfeld, auch wenn dies der bisher höchste Grad an Fragmentierung in der Geschichte der Bundesrepublik ist.

Ausgabe: 05/2024
Produktformat: eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei.
Reihe: 53
Reihentitel: Zahlenbilder
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