Der Sachverständigenrat Wirtschaft
Infografik Nr. 200580
Vor sechzig Jahren wurde per Gesetz der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eingerichtet. Sein gesetzlicher Auftrag als unabhängiges Beratungsgremium ist seitdem unverändert geblieben. Aber seine Methoden und Themen haben sich erweitert.
In einer Umbruchphase der wirtschaftlichen Nachkriegsentwicklung und der staatlichen Wirtschaftspolitik wurde in der Bundesrepublik Deutschland 1963 per Gesetz der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung eingerichtet. Als unabhängiges Beratungsgremium sollte er durch seine wissenschaftlich begründeten Stellungnahmen einen versachlichenden Einfluss auf die wirtschaftspolitische Diskussion ausüben und die Urteilsbildung erleichtern. Der Rat besteht aus fünf Wirtschaftswissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen – den sogenannten Fünf Weisen –, die vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung für fünf Jahre berufen werden und in ihrer Tätigkeit nur an ihren gesetzlichen Auftrag gebunden sind. Nach informeller Regel befindet sich darunter jeweils ein Mitglied, zu dem die Gewerkschaften ihre Zustimmung signalisiert haben.
Vom Sachverständigenrat wurde einerseits weitreichende Wirkung erwartet, andererseits sollte er nicht in die Handlungsfreiheit der Regierung eingreifen und bekam deshalb einen klar umgrenzten Auftrag zugewiesen. Seit 1964 erstattet der Rat ein Jahresgutachten, das er jeweils bis zum 15. November der Regierung zuleitet. Diese legt es dem Bundestag und dem Bundesrat vor; gleichzeitig wird es der Öffentlichkeit übergeben. Laut Gesetz soll der Rat in seinem Gutachten die gesamtwirtschaftliche Lage und deren voraussehbare weitere Entwicklung darstellen. Ausgehend von den Kriterien des „Magischen Vierecks“ soll er dabei untersuchen, „wie im Rahmen der marktwirtschaftlichen Ordnung gleichzeitig Stabilität des Preisniveaus, hoher Beschäftigungsstand und außenwirtschaftliches Gleichgewicht bei stetigem und angemessenem Wachstum gewährleistet werden können“. Auch die Einkommens- und Vermögensverteilung ist in die Untersuchung einzubeziehen. Der Rat soll wirtschaftliche Fehlentwicklungen aufzeigen und Möglichkeiten zu deren Vermeidung oder Beseitigung benennen; er soll dabei unterschiedliche Annahmen berücksichtigen und deren mögliche Folgen durchspielen.
Obwohl aus dem Geist des Keynesianismus geboren, verfolgt der Sachverständigenrat seit den frühen 1970er Jahren mehrheitlich eine angebotspolitische Linie. Im Lauf der Jahre hat er sein methodisches Instrumentarium bedeutend erweitert. Über die reine Theorie hinaus arbeitet er heute verstärkt mit empirischen Untersuchungen und berücksichtigt auch verhaltensökonomische Ansätze. Zudem erschließt er immer neue Themenbereiche (z.B. Klimapolitik, Digitalisierung). Zu seiner Wirksamkeit trägt bei, dass die Regierung in ihrem Jahreswirtschaftsbericht zu den Empfehlungen des Jahresgutachtens Stellung nehmen muss.
Ausgabe: | 09/2023 |
Produktformat: | eps-Version, Komplette Online-Ausgabe als PDF-Datei. |
Reihe: | 53 |
Reihentitel: | Zahlenbilder |